Hallo Zusammen,
zuletzt erreichen uns wieder Schockmeldungen aus den jüngsten Umfragen. Die Stimmung ist angeheizt, die Sorgenfalten werden tiefer und manchmal kocht die Wut.
Ich glaube wir tuen uns damit jedoch aktuell keinen Gefallen, auf diese Meldungen einzugehen. Ich möchte dazu nachfolgend ein paar Gedanken aufschreiben und mit euch diskutieren.
Eins Vorab: Dies ist ein Appell an unser individuelles Verhalten. Ich möchte nicht fordern, dass daraus irgendeine Form von Regel wird, die durch Moderatorys durchgesetzt wird. Das sehe ich im Widerspruch zur Meinungsfreiheit. Ich möchte jedoch alle dazu ermutigen, bei entsprechenden Nachrichten, diese nicht selbst zu posten und mit entsprechenden Posts nicht weiter zu interagieren (keine Up-/Downvotes, keine Kommentare). Ich werde genauso von Umfrageposts verführt, mich darüber aufzuregen und zu kommentieren. Der Appell ist genauso an mich gerichtet und ich muss an mir arbeiten, von dem Thema abzulassen.
Nun zu den Gedanken:
Die letzte BTW liegt keine 2 Monate zurück und eine neue Bundesregierung ist noch nicht gebildet. Wir leben in einer Zeit, wo immer mehr auf kurzfristigem Aktionismus und Populismus anstatt langfristige Strategien gesetzt wird. Sich noch vor der Regierungsbildung auf die emotionalen Reaktionen zu stürzen, verschärft das Problem nur noch. Ich bin von dem BTW Ergebnis auch frustiert und was aus den Koalitionsverhandlungen durchdringt ist ein Gruselkabinett an authoritären Forderungen, Demokratieabbau und sozialer Kälte. Damit müssen wir jedoch inhaltlich umgehen.
Wahlumfragen sind keine inhaltliche Auseinandersetzung. Sie können nur ein allgemeines Bild darstellen, wie "zufrieden" Wahlberechtigte insgesamt sind. Dabei kann z.B. ein "Verlust" von X% einer Partei daher kommen, dass die Einen meinen, es ging nicht weit genug bei einem Thema und die Anderen meinen, es ging zu weit. Ob die Meinung zu dem Thema irgendwie begründet ist, kann nicht abgelesen werden.
Der Fokus auf Wahlumfragen ist fauler Journalismus und er lenkt uns von inhaltlichen Themen und der sinnvollen Reaktion darauf ab. Nicht nur die Politik, sondern auch die Medien werden so in einer Abwärtsspirale zu schlechtem Verhalten konditioniert. Aber auch wir lenken uns damit von demokratiefördernden Aktionen ab, weil wir uns in unserer emotionalen Spirale fangen lassen. Dadurch, dass wir weniger in Aktion gehen, können wir die berechtigten Emotionen schlechter verarbeiten.
Umfrageinstitute verdienen sich eine goldene Nase an dem System. Allensbach, Insa & co. bieten nicht nur das Erstellen der Umfragen an Medien an, sie verkaufen auch Beratung an Politik und Unternehmen. Auf der einen Seite wird die Sensation verkauft und auf der anderen Seite empfohlen, wie mit der Sensation umgegangen werden sollte. Das wirtschaftliche Interesse der Institute führt dadurch dann auch zu erheblichen Einfluss auf die Ausrichtung von Politik und Unternehmen, was zumindest auf einen Interessenskonflikt bei der Erstellung der Umfragen hindeutet.
In Summe profitiert die AfD. Populismus und Aktionismus als zentraler Politikstil ist Futter für die AfD. Schockmeldungen sind Futter für die AfD. Der ständige Hinweis auf eine steigende Beliebtheit der AfD führt zu mehr Beliebtheit, weil die Beliebtheit die AfD emotional legitimiert, statt inhaltlich. Umgekehrt ist der demokratische Widerstand gegen die AfD schwächer, weil er schlechter von der emotionalen Lähmung hin zu wirksamen Aktionen kommt.
Ohne eine Lösung anbieten zu können:
Ich denke das reicht noch deutlich weiter. Die derzeitige Medienlandschaft ist doch nur noch Schnappatmung. Wie oft habt ihr in letzter Zeit gut recherchierte Artikel gelesen die sich Tief mit den Gründen von und Prognosen für derzeitige Themen befassen? Ich denke bei mir gegen 2-3%.
Wir sind in einem Strudel gefangen wo alle nur noch auf den letzten Elon/Trump/Orban/.... Bullshit reagieren. Das ist deren Strategie "flood the zone with shit" und das wird hier zitiert und munter der nächste Beitrag geshared. Unter dem sind immer wieder die selben müden, sarkastischen und intellektuell hilflosen Postings getarnt als Humor. Das soll keine Beledigung sein, ich bin ja auch dabei. Wenn wir nicht was robusteres hinkriegen werden wir immer hilflos herumrudern.
Ich wollte gerade einen ähnlich gearteten Kommentar schreiben. Mir ist genau das, was du hier beschreibst, in letzter Zeit auch aufgefallen und geht mir ehrlich gesagt immer mehr auf die Nerven. Ja, die Situation zu beobachten und weiterhin informiert zu bleiben ist wichtig und richtig, ABER jetzt in Fatalismus zu verfallen oder gar diesem "Shit flooding" auf den Leim zu gehen ist meiner Meinung nach sehr kontraproduktiv. Ich habe aktuell auch keine tolle Lösung dafür, aber ich denke ein gewisses Umdenken / Reflektieren dieses "Strudels" ist durchaus sinnvoll.