Ich halte dieses Gerede von "82 Millionen Bundestrainer, Virologen, Wehrexperten" für extrem schwierig, da es völlig normales menschliches Verhalten abkanzelt. Menschen tauschen sich natürlich untereinander über Themen, die sie beschäftigen aus und das ist auch gut so. Natürlich redet man dann im Büro an der Kaffeemaschine über das letzte Spiel der Nationalmannschaft und natürlich geht es dann auch darum, wie man es besser machen könnte. Das zu lassen, nur weil ein Oliver Kahn vllt. mehr Fußballexpertise hat, ist absoluter Quatsch. Und das gilt auch für andere Themen und unterschätzt auch, wie viel Expertise es gibt: Natürlich haben sich viele Leute während Covid zu wahren Virenexperten entwickelt. Damit meine ich nicht die Querdenker, aber wer es richtig gemacht hat, weiß definitiv mehr über Verbreitungswege, Inkubationszeiten, Impfungen, Schutzmaßnahmen und so weiter und das darf man auch Teilen. Da nur reinzukeilen mit "82 Millionen Virologen, alle keine Ahnung" ist halt elitär und falsch.
Ansonsten zu deiner Frage, was eine Meinung qualifiziert. Ich werfe einfach mal Adorno in den Raum:
"Indem so einer seine untriftige, durch keine Erfahrung erhärtete, durch keine Überlegungen bündige Meinung als die seine proklamiert, verleiht er ihr, mag er sie auch scheinbar einschränken, gerade durch die Beziehung auf ihn selbst als Subjekt Autorität, die des Bekenntnisses. […] Umgekehrt ist ebenso verbreitet die Neigung, wenn man auf ein triftiges und begründetes Urteil stößt, das einem unbequem ist, ohne daß man es doch widerlegen könnte, es dadurch zu disqualifizieren, daß man es als bloße Meinung hinstellt."
Oder anders gesagt: Es ist gar nicht so einfach. Am Ende entscheiden glaube ich drei Dinge: Zum einen, dass man draufschaut, wer etwas äußert und welche Expertise er/sie hat. Es ist eben dann doch ein Unterschied, ob ein Christian Drosten etwas zu Covid sagt oder Ute aus der lokalen Schwurbelgruppe. Dazu kommt dann auch die Erkenntnis, dass die Welt brutal komplex ist und dass es keine einfachen Lösungen gibt. Wer diese verbreitet, sollte dringend skeptischer betrachtet werden (So im Stil von "Die Arbeitslosen sind faul und wenn wir das Bürgergeld kürzen, dann blüht unser Land wieder"). Außerdem braucht man auch die Fähigkeit, seine Meinung in Anbetracht von neuen Fakten und Entwicklungen ändern zu können. Das ist eine Sache, die schwer ist, aber genau da erkennt man die Leute, denen man zuhören sollte. Wir erleben es ja gerade in diesen merkwürdigen Zeiten: Wer immer noch im Putin-Zeitalter diese Sowjet-Völkerfreundschafts-Nostalgie in Richtung Russland pflegt, wer in Trump-Zeiten noch die transatlantische Zusammenarbeit aufrecht halten will, der hat irgendwie nicht nachgedacht.