Heute bei der Deutschen Bahn.
Es geht auf in den Urlaub! Klima und so, man nimmt die Bahn. Aber schon häufig genug geschädigt, dass man drei Stunden Puffer mit einplant.
So weit so gut, wir sind sogar schneller als der Fahrplan! (Aber doppelt so langsam wie normalerweise, die normale Strecke wird saniert).
Bis, die Vollbremsung einsetzt. Einige Minuten später, mit einem bisschen zittrigen Nuscheln wird uns mitgeteilt, dass es einen Personenunfall gegeben hat.
Tja, scheiße aber OK, dafür haben wir ja drei Stunden.
Eine Stunde später, die nächste Ansage: der Notfalldienst ist informiert und wird in einer Stunde hier sein. Aber der Notarzt ist schon da!
Eine Stunde 10 Minuten: ein in zivil gekleideter Mann redet mit dem Soldaten hinter uns: Oberst soundso, der Zug wird wohl nicht weiter fahren und er brauche Verstärkung.
Eine Stunde 30 Minuten: Rettungssanis gehen durch den Zug und fragen, ob jemand verletzt sei.
Zwei Stunden: schreiende Kinder laufen im Ruhebereich auf und ab. Eine neue Durchsage "nuschel der Notfalldienst ist jetzt da!"
Zwei Stunden dreißig: Oberst soundso macht eine Durchsage: er macht sich jetzt zum Vorgesetzten und alle Soldaten Marsch Marsch in den ersten Wagen. Neue Durchsage: der Zug wird evakuiert. Ob mit Bussen oder zweitem Zug ist noch unklar.
Verwirrte Frau setzt sich neben andere Frau und weigert sich nach mehreren Bitten, zu gehen, bis ihr jemand gesagt hat, was der Oberst gesagt hat. Ich mache das und erlöse die Dame.
Drei Stunden: neue Durchsage! Es kommt ein neuer Zug! Der ist schon da, quasi. Wir warten nur noch auf ein OK der Kripo.
Drei Stunden dreißig: der Zug wird wirklich jetzt bald hier sein. Soldaten tragen Kinderwagen und Koffer durchs Abteil.
Vier Stunden: der Zug ist da!
Vier Stunden dreißig: alle evakuieren.
Vier Stunden einunddreißig: Chaos
Vier Stunden zweiundreißig: meine Kollegin hat mir einen Tipp gegeben: alle wieder hinsetzen wir machen es der Reihe nach.
Vier Stunden fünfundvierzig: wir sitzen im neuen Zug! Der Zug wird um 2300 ankommen! Yay.
Sieben Stunden: wir haben hier nochmal kurz außerplanmäßig gehalten aber sind um 2310 da!
2312: wir sind da.
Mitternacht: wir kommen am Servicepoint an. Hier ist was erstattet wird:
Ticket? Online einreichen. Anschlusszug? Online einreichen. Hotel? Leider haben Sie die Reise mit zwei Tickets statt einem gebucht deswegen wird es nicht erstattet.
Wie kann es 6 fucking Stunden dauern Leute aus nem Zug zu evakuieren?! Warum dauert es eine Stunde für den Notfalldienst und länger für die Rettungssanis? Was zum absoluten fick.
Personenunfall und Vollbremsung klingt als wäre da jemand vom Zug erfasst worden, und du heulst rum weil's dir zu lange dauert bis du im Urlaub bist? Komm ma uff'n Teppich Kollege!
Puh bin da bisschen zwiegespalten. Zum einen PU dauert und dass es da erstmal nicht weiter geht und die Strecke länger zu ist, ist auch in Ordnung so, aber zum anderen dauern Evakuierungen bei der Bahn entschieden zu lang. Da gab es in den letzten Jahren ja schon so einige Geschichten.
Persönlich wäre ich ja wirklich für eine Regelung das Personen aus einem festsitzenden Zug (egal aus welcher Ursache) spätestens ne Stunde nach eintritt der Ursache am nächstgelegenen Bahnhof sein müssen. Halte ich einfach für angebracht, wird aber so eh nie kommen.
Halte ich nicht für realistisch. In so einer Situation gehen Rettungsmaßnahmen vor. Im worst case ist nichts mehr zu retten aber so ein Mensch kann sich bei der Kollision mit einem sehr schnellen Objekt sehr weit verteilen. Vor einer Evakuierung muss also erst Mal aufgeräumt werden. (Anekdote: mein Bruder ist Mechatroniker und in der Werkstatt fiel mal eine Schädeldecke aus dem Unterboden eines Unfall-LKWs der eine Person auf der Autobahn erfasst hatte...)
Parallel muss man den Transport organisieren und wenn die Bahnstrecke nicht gerade neben einer Straße verläuft braucht es zusätzlichen Transport zur Straße. Allein das alles dauert schon seine Zeit.
Und dann noch die Fahrgäste koordinieren die entweder verballert, wütend, schaulustig oder alles auf einmal sind. Je nach Größe des Zuges reden wir hier ja im worst case auch nochmal von ein paar hundert Leuten.
Als Person die wegen technischer Probleme auch schon 3h in der Pampa stand, teile ich deinen Frust über die Dauer und teils schlechte Organisation in solchen Situationen. Aber gerade bei Unfällen mit Personenschaden muss man Mal das eigene Wohlbefinden ein bisschen zurückstellen.
Für mich geht es da nicht nur um Wohlbefinden, das hat für mich einen Sicherheitsaspekte, wenn ichs auf die Spitze treibe auch einen Menschenrechtsaspekt und mehr. Klar wäre es nicht leicht das umzusetzen, wie geschrieben bin ich mir auch im klaren dass das nie kommen wird, aber aus meiner ganz persönlichen Sicht wäre es angebracht. Blöd gesagt lässt man die Beifahrer eines Autos bei einem Verkehrsunfall aus guten Gründen auch nicht erst ein paar Stunden sitzen.
Klar ein Auto ist kein Zug, ne Straße keine Bahnstrecke und so vier Leute sind nicht vierhundert. Man müsste da massiv Personal und Technik vorhalten das umzusetzen. (Angefangen etwa bei den Notfallmanagern, die dann Ausrückzeiten wie die Feuerwehr bräuchten.) In meinen Augen angebracht, im Allgemeinen und speziell in der Bahnbranche wirds aber wohl nicht so gesehen sonst gäbs das ja oder zumindest ne Diskussion darüber.
Wobei zugegen ne Stunde schon echt sehr eng ist. Etwas mehr müsste es währenscheinlich wirklich sein, wäre auch okay, mir geht es mehr um die Größenordnung als dir genaue Zeit.
Welche Sicherheitsaspekte sind denn verletzt, wenn ein Zug, in dem den Fahrgästen keinerlei Gefahr droht, nicht evakuiert wird? Ein bisschen warten ist im Normalfall völlig ungefährlich. Und welches Menschenrecht dadurch verletzt würde, ist mir schleierhaft. Eher wäre eine Evakuierung ein Problem, denn davon gehen auf offener Strecke einige Gefahren aus, weil Züge eben nicht dafür gebaut sind, dass man auf offener Strecke aussteigt. Dazu kommt noch, dass man, je nach Wetter, dann draußen rumsteht und der Witterung schutzlos ausgesetzt ist. Eine Evakuierung ist grundsätzlich nur dann sinnvoll, wenn die Gefahr drinnen größer ist, als die Summe der Gefahren durch die Evakuierung selbst und die Gefahr draußen.
Bei einem Personenzug mit hunderten von Leuten ist das ein riesen Aufriss, und die Ausrüstung, die man vorhalten müsste, um das routinemäßig bei jedem Furz zu machen, ist immens. Denn man muss die Leute dann an beliebigen Orten witterungsgeschützt unterbringen können, bis die Transportmittel zur Weiterfahrt bereitstehen. Das heißt in der Regel Zelte, die von massig Personal antransportiert und aufgebaut werden müssen. Transportmittel zur Weiterfahrt ist idealerweise der liegengebliebene Zug selbst, ansonsten ein Ersatzzug, denn die Bahnstrecke ist ja schon da. Solange eine Strecke gesperrt ist, kann man aber bestenfalls zum vorherigen Bahnhof zurückfahren (wenn überhaupt). Ein Abtransport in Bussen ist ein logistischer Albtraum, denn so viele Busse muss man erstmal organisieren, es ist ja nicht so, dass die einfach so überall rumstehen und nur darauf warten, dass mal ein Zug kurz liegen bleibt. Außerdem braucht man in der Nähe der Bahnstrecke einen für Busse befahrbaren Weg. Für den Transport der Fahrgäste vom liegengebliebenen Zug bis zum nächsten geeigneten Ort braucht man evtl. auch geeignete Fahrzeuge. (im schlimmsten Fall müssen die geländegängig sein)
Die dafür nötige Maschinerie ins Rollen zu bringen, ist nur sinnvoll, wenn der Ausfall lange genug dauert und den Fahrgästen dadurch eine konkrete Gefahr droht, dass sie im Zug bleiben. Und lange genug sind in dem Fall viele Stunden. Massiv Personal und Technik eigens dafür vorhalten ist Blödsinn, denn das passiert zu selten. Die Ressourcen, mit denen man das in einem echten Notfall stemmen könnte, sind vorhanden, halt im Rahmen des regulären Katastrophenschutzes. Die sind aber nicht dafür da, ständig wegen irgendwelcher Befindlichkeiten von Leuten, die eine Unbequemlichkeit erleiden, mobilisiert zu werden. Die gibt es für den Fall, dass Leute wirklich in Gefahr sind.
Macht man in manchen Ländern. Aber das wäre wohl zu einfach.
Gibt nicht überall ein Nebengleis
Ja, wäre es. Bei der Bahn gilt halt Sicherheit vor Pünktlichkeit.
Eine Stunde? Und wie soll das gehen? Das klappt nicht mal wenn alle Fahrgäste mithelfen, die Brocken einsammeln. (Können sollten die das eigentlich, denn schwer ist das nicht, und wer in der Situation die Verspätung als das einzige Problem ansieht, hat auch den nötigen emotionalen Abstand, um das zu verkraften)
Ich vermute mal, da wird auch noch Spurensicherung betrieben. Falls dem so ist, muss der Zug ja bis dahin stehenbleiben. Eine Stunde ist absolut unrealistisch, stimme dir zu.
Ja. Das ist bei allen Unfällen mit Personenschaden üblich, insbesondere, wenn es nicht genug Zeugen gibt, um das Geschehen zu rekonstruieren. Wenn eine Person vom Zug überfahren wird, fällt die überfahrene Person in der Regel als Zeuge aus und auch der Lokführer sieht in der Regel sehr wenig.